Mittwoch, August 21, 2019

Persönlichkeiten vorgestellt

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Meldung vom 22.9.2019

Am Samstag den 21.9. starb Günter Kunert im Alter von 90 Jahren in Kaisborstel

Als er in das Krankenhaus vor einigen Wochen geliefert wurde, fuhr ich zufällig mit dem Fahrrad an seinem Haus vorbei.
Vor wenigen Tagen soll er sich selbst entlassen haben, um in seinem Haus in Kaisborstel zu sterben.
Info der SHZ HIER

Kaisborstel den 12.2.2019

Begegnung mit einem mehrfach ausgezeichneten Schriftsteller

Günter Kunert wird in wenigen Wochen 90 Jahre und arbeitet nach dem gerade veröffentlichten Roman "Die zweite Frau" an einem neuen Buch.
Ein Bericht vom Treffen mit dem Autor vom 12.2. 2019
Das Gespräch wurde mit einem Tonband aufgenommen und wird nach und nach abgetippt.

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Schriftsteller Günter Kunert: Gestern und heute

Nur wenige Kilometer von Hohenaspe entfernt lebt seit vielen Jahren Günter Kunert.
 Er ist eine weithin bekannte und verdiente Persönlichkeit und steht gerade in dieser Zeit im Mittelpunkt von nicht nur Literaturfans.
Zum einen wird er in wenigen Wochen 90 Jahre und kann auf ein spannendes und erlebnisreiches Leben zurückblicken. Zum anderen wurde sein neuer Roman veröffentlicht.

Umso mehr freut es mich, dass der berühmte viel beschäftigte Kaisborstler  sich über eine Stunde für mich – also für diesen Blog -Zeit nimmt, um meine Fragen zu beantworten. Empfangen wurde ich im ehemaligen Klassenzimmer, denn das Haus, welches Kunert vor knapp 40 Jahren erwarb, war das ehemalige Schulhaus der Gemeinde. Der wieder freigelegte Holzfußboden erinnerte daran, aber ansonsten ist das Zimmer schon eine Art Galerie. Kunerts Zeichnungen und Malereien zieren die Wände.
Entworfene Plastiken und Skulpturen stehen in den Fenstern, deren Glasscheiben mit sehenswerten Mosaiken besetzt sind, aber leider den Blick in den weitläufigen Garten verhindern. Durch einen Schlitz kann ich aber dennoch die zahlreichen  Vögel am Vogelhaus entdecken. Kunert füttert sie täglich.
Auch die Möbel sind historisch und stammen aus seinem Berliner Wohnhaus, welches er einst verlassen musste.
Aber der Reihe nach:

Kurz nachdem wir Platz genommen haben, erzählt mir Günter Kunert, dass der gerade veröffentlichte Roman "Die zweite Frau" nicht sein letztes Buch sein wird, da er bereits an einer Zusammenfassung von Erzählungen arbeitet. Der Titel des Buches wird lauten: "Nichts Neues vom Friedhof" und im nächsten Jahr erscheinen. 
Günter Kunert ist ein Vorbild für Menschen, die sich mit dem Altern schwer tun.
 Der knapp 90 jährige gibt vielen Mut und Zuversicht in die Zukunft, denn er lebt vor, dass es auch möglich ist, im hohen Alter kreativ zu sein.

Schon seit seiner Kindheit ist Kunert ein leidenschaftlicher Zeichner.
In Berlin-Weißensee besuchte er die Kunsthochschule. Ein Teil seiner gesammelten Zeichnungen (700) sind derzeit auf dem Weg nach Hannover ins Wilhelm Busch Museum , denn dort startet am 23.2.19 eine Ausstellung mit seinen Arbeiten.
Des weiteren wird in Kürze auch im Kreismuseum Prinzeßhof  eine Ausstellungen mit seinen Bildern vorbereitet.

Auf die Frage was den Künstler so jung hält?, antwortet er: " Die Arbeit hält mich fit. Der Kopf funktioniert und der Körper einigermaßen"
Probleme hat er mit den Beinen, denn er war nach eigener Aussage schon als junger Mensch eher unsportlich.
Sorgen macht sich Kunert um seine Frau, mit der er seit zwei Jahren verheiratet ist. Sie ist schwer krank in seinem Alter und benötigt Pflege.

Wir kamen auf Kunerts Ausreise aus der DDR zu sprechen, denn seine zunehmend kritische Auseinandersetzung mit der staatlichen Kulturpolitik führte 1979 zur Ausreise in die Bundesrepublik. Seither lebt er als freier Schriftsteller im Kreis Steinburg.

Erinnerung an die Biermann-Affäre

Am 16. November 1976 verbreitete die amtliche Nachrichtenagentur  die Meldung über die Ausbürgerung Wolf Biermanns aus der DDR.
Überraschend für die DDR-Regierung war nicht die Reaktion der westlichen Medien auf die Ausweisung, sondern die Reaktion von einigen Schriftstellern und Künstlern der DDR.
 Schon einen Tag später, am 17. November, gab der Schriftsteller Stephan Hermlin dem "Neuen Deutschland" in Berlin eine Erklärung von 12 bekannten Künstlern ab.
Erstunterzeichner waren neben Hermlin Sarah Kirsch, Christa Wolf, Volker Braun, Franz Fühmann, Stefan Heym, Günter Kunert, Heiner Müller, Rolf Schneider, Gerhard Wolf, Jurek Becker und Erich Arndt. 

Der Schriftsteller ist in Berlin-Ost aufgewachsen. Er war der einzige Sohn und hatte alle Freiheiten der Welt. Seine Mutter - eine Jüdin - vererbte ihm ihr Talent für das Zeichnen. Kunert durfte im Haus seiner Elten die Wände mit seinen Zeichnungen verzieren. 

Was hält sie Herr Kunert jung?, will ich wissen. "Die Arbeit", sagt er spontan, denn wenn er als Künstler zwei, drei Tage nichts getan hat, entsteht eine innere Unruhe in ihm.
Wenn Kunert nicht zeichnet oder literarische Texte verfasst, besitzt er eine umfangreiche Korrespondenz.
Zum Beispiel mit einem 12 jährigen Jungen aus Zittau im Erzgebirge.
Der Junge ist einer seiner besten Leser und es bereitet Kunert sehr viel Spaß, sich mit dem nie gesehenen/ getroffenen Schüler auszutauschen.
Kunert schickt ihm zum Beispiel Kinderbücher von Erich Kästner und erinnert sich dabei an seine eigene Jugend, in er wegen zahlreicher Krankheiten isoliert war.

Kleinere Texte und Gedichte schreibt Kunert mit der Hand ansonsten tippt er sie mit der Schreibmaschine. Die Texte werden verbessert und erneut abgetippt.
Gerade Gedichte durchlaufen einen langen Prozess, berichtet der Schriftsteller.
Es gibt 7 bis 8 Fassungen, die er dann zum Beispiel in sein "Big Book" einträgt, in dem seine Erinnerungen, Erzählungen, Gedichte, Reflektionen, Gedanken und Träume einträgt.
Bislang sind im Big Book an die 7000 Texte eingetragen. Kunert arbeitet täglich daran.
Aus Zeitungen wie Norddeutsche Rundschau und FAZ schneidet er obskure Nachrichten aus und sammelt sie.
Auf die Frage, ob Kontakt zu Wolf Biermann besteht, erzählt Kunert, dass Biermann ihm vor kurzem seine Lebenserinnerungen zukommen ließ und sie sich alle Jahre sehen würden.
Mit Günter Grass traf Kunert sich vor der Wende, aber die Ansichten von Grass fand Schriftsteller Kunert eigenartig.
Die Wiedervereinigung war nicht im Interesse von Grass und so gab es keinen gemeinsamen Nenner zwischen den beiden Schriftstellern.
Liebe Erinnerungen hat Kunert an Bertolt Brecht:
"Einmal in der Woche bin ich zu ihm gefahren. Er wohnte damals in Weißensee in meiner Nähe", erinnert sich der Literat.
 "Das Problem war, ich sollte immer morgens bei Brecht erscheinen, denn der war ein Frühaufsteher und ich ein Spätaufsteher", aber die Besuche hat Kunert sehr lebhaft in Erinnerung. "Es waren immer spannende Treffen", so K.,  zu denen er immer um 9 Uhr erschien, zu dieser Zeit hatte Brecht sein Tagwerk bereits geschafft.
🚗Auf dem Weg zum Theater nahm Brecht Kunert häufig in seinem Zweisitzer Steyr mit und als ob es gestern war, erinnert sich Kunert daran, dass Brecht einmal auf der Straße Weißenberger Allee die Hände vom Steuer seines Sportwagens nahm und sagte: "Autofahren ist das Einzige, was ich wirklich kann!"

Kunert hatte ausschließlich mit Kollegen zu tun, die kritisch wie er selbst zum System standen.
1948 veröffentlichte er erstmals Gedichte und Geschichten in der Zeitschrift Ulenspiegel.
An diese Zeit erinnert sich der Schriftsteller gern zurück: Die "Westpresse" wurde nach 1945 auch in Ostberlin verkauft. Bücher aus dem Westen gab es auch in Ostberlin zu erwerben.
Es war damals noch keine starke geistige Trennung vorhanden, besinnt sich Kunert.
Er schrieb und zeichnete für den Ulenspiegel, einer satirischen Zeitung in der Nachkriegszeit.
Die Redakteure sollen allesamt lustige und witzige Kameraden gewesen sein und es war ein großes Vergnügen für ihn als junger Künstler dort zu arbeiten.

Nachdem 1979 Kunert in der DDR seine Zelte abbrechen musste, wand er sich an einen alten Freund, der in Hamburg Röntgenologe war.
Dieser besorgte Kunert in Itzehoe ein Haus. dass ihm Platz für all seine Bilder, Bücher und sieben Katzen Platz bot. Das Haus eines Militärpfarrers wurde ihm von der Kirche vermietet.

Kunert ist ein Katzenfan. Aus Altersgründen kann er keine Tiere mehr halten und es betrübt ihn. Als seine letzte Katze vor drei Jahren verstarb, beschloss er, keine mehr aufzunehmen.

Nach seinen Zeichnungen befragt, erzählt Kunert, dass er, wenn er mit einer Zeichnung beginnt, er nicht aufhören darf, daran zu arbeiten, denn dann verliert er das Thema. Seine Kunstwerke entstehen also an einem Tag.
Kunert zeichnet nicht nur. Radierungen und verschiedenste Kunsttechniken hat er sich zu eigen gemacht.

Am Ende des Gespräches fragte ich den Schriftsteller nach seinem gerade erschienenen Buch.
Das vor drei Jahren wieder gefundenen Manuskript war 1976 datiert und entstand vor der Biermann-Affäre.
Mit diesem Roman befreite sich Kunert vom Druck, der im Inneren durch die Repressalien des Staates entstanden war.
Es war damals für den Schriftsteller ein Akt der Selbstbefreiung, dieses Erlebte aufs Papier zu bringen. Verändert hat er im Nachhinein nicht ein einziges Wort an seinem damals verfassten Roman.
Das Bündel der Manuskripte lag in einer ehemaligen russischen Maschinenkiste, in der vor der Ausreise alles eingepackt werden musste.
Der Zoll war damals im Haus und ließ niemanden mehr rein.
Die Beamten packten die Sachen in die Kisten. Kunerts saßen hilflos da und sahen zu, wie ihre Sachen verstaut wurden.
Die Kisten wurden vorerst in Itzehoe im unterkellertem Haus verstaut und nicht geöffnet, da Kunerts dort nicht wohnen bleiben wollten.
Erst in Kaisborstel ging Kunert dazu über, die Bücher aus den alten Kisten auszupacken.
Zahlreiche Briefwechsel und Manuskripte kamen nach und nach zum Vorschein, wenn Kunert Zeit blieb, sie zu durchforsten.
Er unternahm viele Reisen, Lesungen, Vorträge.
 Im Nachhinein sieht sich Kunert als Hamster im Laufrad.

Mit den Schleswig-Holsteinern ist Günther Kunert im Reinen.
"Ich habe, seit ich hier in SH lebe (dabei klopft er auf den Holztisch), keine einzige schlechte Erfahrung mit den Schleswig-Holsteinern gemacht! Alle waren hilfreich und immer freundlich."
"Ich  hätte niemals gedachte, dass ich so gut mit ihnen auskommt", beschreibt Kunert sein Verhältnis zu den hiesigen Bewohnern.

Voll des Lobes ist er auch über seine Nachbarschaft, die sich um ihn und seine Frau kümmern, aber auch anerkennen, wenn Ruhe benötigt wird.

Apropos Ruhe: Als ich mit Kunert im ehemaligen Klassenzimmer des Hauses dieses Gespräch führe, ist es in Pausen derartig still, dass ich mich über die fehlende Geräuschkulisse  wundere.
Dem Bewohner des Hauses teile ich meine Entdeckung mit und er bestätigt meine Beobachtung.
"Ist es nicht faszinierend?", fragt er mich mit strahlenden Augen und ich gebe ihm recht.

Da haben sich ganz offensichtlich zwei gesucht und gefunden: Ein Haus und ein Schriftsteller.

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den 17.3.2019

Auf den Spuren von Theodor Storm

An einem Waldfriedhof in Hademarschen entdeckt

 " Der letzte Romantiker" Theodor Storm als Bronzestatue sitzt hier als alter Mann etwas abseits in einem Park bei Hademarschen.
Der berühmte Dichter wählte die Gemeinde als seinen Alterssitz.
In Hademarschen entstand aus seiner Feder seine letzte Novelle "Der Schimmelreiter", den viele einst als klassische Schullektüre in Erinnerung haben.
Die Kurzfassung von der Novelle in Ton  HIER und die Verfilmung HIER.

In Husum eröffnete Storm 1842 nach seinem Jura-Studium in Kiel 1843 eine Kanzlei.
 Theodor Storm stand mit seiner Heimat Schleswig-Holstein in großer bekannter Verbundenheit und so waren mein Mann und ich vor ein paar Jahren überrascht, eine Bronzefigur von ihm zufällig auf einer Durchreise in Heiligenstadt (Thüringen) zu entdecken.

Aus seiner Heimat in Schleswig-Holstein wurde der damals 36-Jährige 1853 verbannt, weil er sich am Unabhängigkeitskampf Schleswig-Holsteins gegen die Dänen beteiligt hatte.
Ihm wurde die Advokatur in Husum entzogen.

Vorerst lebte der Dichter Theodor Storm mit seiner Familie drei Jahre in Potsdam (seinem Exil, wie er es nannte).

Später wurde Storm Kreisrichter in Heiligenstadt (1856–1864) und hier gefiel es ihm schon besser.
"Da ich nicht in Husum sein kann, so wün­sche ich nur in Hei­li­gen­stadt zu sein", schrieb Storm einst einem Freund.  Zeigt dieser Satz doch die Gradlinigkeit des Schriftstellers auf.

Nach dem Ende des Dänisch-Deut­schen Kon­flikts kehrte Storm 1864  mit sei­ner Fami­lie nach Schles­wig-Hol­stein zurück, denn er wurde zum Amtsrichter in Husum berufen. 

In Hademarschen an der Bronzestatue:

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